Gerade einmal 15:33 und draußen dunkelt es. In einer halben Stunde wird die Sonne untergegangen sein. Die Zeit vergeht wie im Flug, die letzten Blätter hinter meinem Bürofenster fallen und ich möchte diese Gelegenheit nutzten, auf zwei Beriah-Erlebnisse zurück zu blicken.
Community Building mit mehreren Generationen
Vor knapp vier Wochen begleitete ich mit Susanne Gierens aus Jahnishausen ein dreitägiges CB-Seminar eines Mehrgenerationenprojekts in Sachsen. Mich berührte das Aufeinandertreffen ganz unterschiedlicher Lebensrealitäten, -alter und -erfahrungen und ich konnte viele berührende Momente und Aha’s für mich und meine Kommune-Gruppe mitnehmen.
So habe ich noch einmal gesehen und gelernt, wie wichtig es ist, der Selbstoffenbarung Zeit zu geben. Nach dem Spruche: „Das Gras wächst nicht schneller, wenn mensch daran zieht.“ Und gleichzeitig war so deutlich, wie wichtig das Chaos, das Ziehen und Fordern für eine Gruppe sein kann. Wie wichtig die Rolle der Jungen und Ungestümen sowie der Bewahrer_innen in einer Gruppensituation sind. Als wären es unterschiedliche Anteile eines gemeinsamen Gruppentieres.
Und dann entstehen Situationen, in denen Klarheit über die eigene Gruppensituation aufblitzt. Durch das Sichtbarwerden eines ausgeblendeten, sehr wichtigen Details oder das Aussprechen einer unbequemen Wahrheit. Dann gibt es an mehreren Stellen ein Seufzen, ein Entspannen. Das Gruppentier hat geatmet.
Zu erforschen, wo eine Gruppe steht und was sie für die nächsten Schritte braucht, finde ich sehr spannend. Und es ist immer wieder beeindruckend für mich, wie viel Beziehung und Information bereits in der verbalen und nonverbalen Gruppenkommunikation sichtbar ist, wenn mensch frei dahin schauen kann. Das ist für Gruppenmitglieder freilich sehr schwer, sind sie ja die tragenden Stützen des Bestehenden und haben meist alle Hände voll zu tun.
Und daher sind die Situationen, in denen neue Menschen zur einer bestehenden Gruppe dazu stoßen, so aufregend und oft mit Herausforderungen beladen. Mir klingt noch Susannes Beitrag im Ohr, in dem sie zur Erforschung des Neuen einlud. Wie könnte eine Gruppe aufgestellt und in Beziehung sein, die wirklich offen ist für das Neue? Denn wenn neue Menschen oder Neues im Allgemeinen nachhaltig dazu kommen soll, braucht es meiner Meinung nach nicht nur eine Anpassung des Hinzukommenden sondern eine Anpassung des Gesamtsystems.
Und wieder hatte ich Freude über CB, denn es zeigte sich deutlich, dass der oft mühsame und selbst erlittene (!) Prozess die Chance der nachhaltigen Erkenntnis dieser Wichtigkeit unterschiedlicher Rollen für den Gruppenprozess birgt. Auch wenn es für die_den Einzelne_n in der konkreten Auseinandersetzung schwierig oder schmerzhaft ist: die eigene Erfahrung ist zumeist der beste Lehrmeister.
Council im Eschwege Institut
Die selbst erlittene Erfahrung lag auch im Focus einer Weiterbildung im Eschwege Institut, die Johanna und ich im Oktober absolvierten. Council nutzt die Kraft persönlicher Geschichten, die auf selbst erlittener Erfahrung basieren. Vier Tage saßen wir mit Gesa Heiten und weiteren Menschen im Kreis und wiederentdeckten eine uralte Form der Kreiskultur. In einer Jurte teilten wir unsere Geschichten und lernten Runden mit Hilfe unterschiedlicher Council-Formaten zu begleiten. Council kann mit „Zu Rate sitzen“ übersetzt werden. Es geht darum, auf Augenhöhe im Kreis zu sitzen und nacheinander den Geschichten der Menschen aufmerksam zuzuhören. Zuhören und sinken lassen. Dazu helfen ein Redegegenstand, ein klarer Anfang sowie ein klares Ende, eine formulierte Frage sowie 4 Empfehlungen:
- Höre von Herzen
- Sprich von Herzen
- Sei spontan
- Sei wesentlich
Dieser übersichtliche, klar strukturierte Rahmen schaffte viel Sicherheit und ermöglichte sehr berührende Momente. Council erscheint uns niedrigschwellig und ideal für die Begleitung von Lebensübergängen. Wir haben große Lust, Council noch stärker in unsere Prozessbegleitung und Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu integrieren.
Zu Council kann ich einführend dieses Buch empfehlen: Der große Rat.
Weitere Beiträge
- Einladung: Lebendige Schwesternschaft – von Frau zu Frau
- Let’s get together!
- Wir sind hier, weil es letztendlich kein Entrinnen vor uns selbst gibt.
- Echte Gemeinschaft nährt
- Neuer Erfahrungsbericht aus „Kommunizieren in Gemeinschaft“
- Erfahrungsbericht „Kommunizieren in Gemeinschaft“ in Bad Belzig
- Fünf Jahre Beriah Gemeinschaftsbildung
- Erfahrungsbericht „CB-WE-Seminar“ aus Potsdam