CB–Prozess und die 4 Phasen

Das Setting des Community Building ist einfach: eine Gruppe von Menschen setzt sich für eine bestimmte Zeitdauer in einen Kreis und spricht über alles, was für die Teilnehmer*innen im Hier und Jetzt relevant ist. Die einzigen Vorgaben sind die Kommunikationsempfehlungen. Diese lauten zum Beispiel:

  • Sprich in der Ich-Form.
  • Sprich nur, wenn du dazu bewegt bist, sprich nicht, wenn du nicht bewegt bist.
  • Schließe ein – vermeide jemanden auszuschließen

CB ist ein offenes Abenteuer. Kein Thema ist vorgegeben, kein*e Anleiter*in verfügbar und keine Empfehlung ist feste Regel. Dennoch folgt der Gruppenprozess als kommunikatives Experimentierfeld einem strukturellen Verlauf. Die Gruppe durchläuft die 4 Phasen des CB-Prozesses.

Peck geht davon aus, dass alle Gruppen, seien es Arbeits-, Lebens-, Wohn- oder Projektgruppen, zwischen diesen Phasen wechseln. Das zentrale Problem besteht darin, dass sehr viele Gruppen nicht in die dritte oder vierte Phase gelangen. Es herrscht Chaos, Unzufriedenheit und Ineffizienz in der Gruppe.

Viele Gruppen halten sich in den ersten zwei Phasen auf. Die Pseudophase ist die Phase der Annäherung. Es herrscht eine freundliche, nette Atmosphäre „als gäbe es unter den Gruppenmitgliedern nur oberflächliche individuelle Differenzen und keinen Grund für Konflikte“ (Peck, Scott: Eine neue Ethik für die Welt. Grundwerte für eine menschlichere Gesellschaft. München 1995). In dieser Phase versuchen die Gruppenteilnehmer*innen, in der Gruppe nicht aufzufallen und die Andersartigkeit anderer zu kaschieren. Die Kommunikation in der Pseudophase ist höflich, aber im Grunde distanziert. Die Teilnehmer*innen halten sich zurück, wollen sich nicht zu nahe kommen. Mit der Zeit schließlich kommen die tieferliegenden Unterschiede zu Tage und die Gruppe rutscht in die Chaos Phase, die auch „Du-Phase“ genannt wird. Die Unterschiede zwischen den Gruppenmitgliedern werden nicht mehr geleugnet, sie können aber auch noch nicht als Bereicherung angesehen werden. Stattdessen versucht jede*r jede*n zu heilen, zu beraten und von der eigenen Meinung zu überzeugen. Selten hören die Gruppenmitglieder einander richtig zu. Es ist ein sehr unangenehmer, meist anstrengender Zustand.

Aus dem Chaos führen zwei Wege. Der übliche ist die Organisation. Hier werden Lösungen diskutiert oder Führer bestimmt. Dieser Weg führt zurück in die Pseudogemeinschaft. Der andere, gemeinschaftsfördernde Weg führt in die Phase der „Leere“. In dieser Phase beginnt die Gruppe vorsichtig zu untersuchen, welche Hindernisse und Unterschiede aufrichtiger Gemeinschaft im Wege stehen. Oft sind diese Hindernisse Vorurteile, Erwartungen, das Bedürfnis nach Kontrolle, der Wunsch zu bekehren, zu heilen oder der Drang zu leisten oder zu siegen. Andere Hindernisse sind persönlicher Natur, wie Unsicherheit, Angst oder belastende Lebenserfahrungen. Das Äußern dieser individuellen Schwächen, Verletzungen und Lebensbrüche ermöglicht eine Öffnung und Verbindung zu sich selbst und den anderen. Die Gruppe beginnt, sich authentisch mitzuteilen, wirklich zu zuzuhören, loszulassen und in Ruhe zu schweigen. Dies ist der Übergang von der „Leere“ in die Phase der „authentischen Gemeinschaft“. Der Übergang verläuft zumeist nicht schnell oder punktuell, sondern kommt eher dem langsamen Öffnen einer Muschel gleich. Wenn die Muschel geöffnet ist, wird es den Gruppenteilnehmer*innen möglich sein, sich durch all die Unterschiede hindurch miteinander verbunden zu fühlen. Weil einander wirklich zugehört wird, gibt es Platz für verschiedene Sichtweisen und den Raum, gemeinsame Entscheidungen zu fällen. Die Gruppe ist zu einem sicheren Ort geworden.

Entscheidungen, die nach Bildung der Gemeinschaft – als „group of all leaders“ – getroffen werden, sind sehr nachhaltig und werden von der Gruppe als Ganzes getragen.

Der Prozess der Gemeinschaftsbildung ist nicht immer linear. Auch wenn eine Gruppe im Stadium der „authentischen Gemeinschaft“ angelangt ist, heißt es nicht, dass sie nicht zurück ins Chaos fallen wird. Aber eine Gruppe lernt durch das Erleben von Offenheit, Transparenz und das bewusste Anerkennen der Unterschiede Einzelner, wie dieser Zustand wieder und wieder hergestellt werden kann.

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Buchauszug: Die 4 Phasen der Gemeinschaftsbildung. Aus: Peck, Scott: Eine neue Ethik für die Welt. München 1995